Emissionsfaktor von Biogas im ETS

CO2 zu emittieren ist teuer. Der Spotpreis für EUA, also für Europäische Allowances für die Emission von Treibhausgasen, beträgt derzeit rund 80€/t. Mit dem Einsatz von Biogas anstelle von Erdgas lässt sich daher Geld sparen. Denn anders als bei Erdgas mit seinem Emissionsfaktor von 56,1 t/TJ zählt die Verbrennung von chemisch fast identischem Biogas als CO2-neutral – für seinen Einsatz müssen Betreiber daher keine EUAs abzugeben. So lassen sich mit Biogas pro GWh eingesetzter Energie über 16.000 € ETS-Kosten sparen. Dies ist umso interessanter, als der Preis von Biogas sich inzwischen kaum noch von jenem für Erdgas unterscheidet (sie sind beide extrem hoch, das Bio-Zertifikat fällt mir einem Aufschlag von rund 1€ kaum ins Gewicht).

2022: Normales Biogas zählt noch als CO2-neutral

Ab 2022 sollten die zu beachtenden Anforderungen aber eigentlich deutlich strenger werden. Infolge einer Änderung der Monitoring and Reporting Regulation (MRR) sollte künftig nur noch solches Biogas als CO2-neutral gelten, das unter Einhaltung der strengen Nachhaltigkeitskriterien der RED2 produziert wurde – siehe sogleich weiter unten. Allerdings gibt es kaum Anlagen im Markt, die diese Kriterien überhaupt erfüllen. Das dort produzierte Biomethan wäre seinerseits sehr teuer; man könnte zwar ETS-Kosten sparen mit Biogas, müsste bei der Commodity aber wiederum draufzahlen.

Erfreulicherweise hat die EU-Kommission den Mangel an zertifizierten Betrieben erkannt und die MMR geändert: Im Jahr 2022 dürfen die Mitgliedsstaaten von der Anwendung der strengen RED2 Anforderungen noch einmal absehen. In Deutschland macht die DEHSt für feste und gasförmige Biomasse von diesem Recht Gebrauch. Das bedeutet: In diesem Jahr können noch auch mit normalem, d.h. nicht RED2-zertifiziertem Biogas ETS-Kosten gespart werden.

Ab 2023: Biogas muss RED2-konform sein

Ab 2023 gelten die Regeln der MMR, also der Monitoring and Reporting Regulation (EU) 2018/2066 über die Ermittlung der Emissionen von dem Europäischen Emissionshandel (ETS) unterliegenden Anlagen, in neuer Gestalt. Neben dem üblichen Feintuning kümmert sich die Änderung vor allem um den Emissionsfaktor von Biogas und anderer Biomasse. Diesen regelt die MRR künftig deutlich umfangreicher, leider aber keinesfalls klarer.

Der Verweis auf Herkunftsnachweise wird nun zwar nicht mehr auf das System für grüne(n) Strom, Wärme und Kälte eingeschränkt; ein unionsweites System von Herkunftsnachweisen für Biogas wurde aber nicht eingeführt. Stattdessen kamen neue Anforderungen hinzu, die die Anerkennung von Null-Emissionen-Biogas weiter verkomplizieren: Der neue Art. 39 Abs. 4 MRR wird wie folgt lauten:

Der Anlagenbetreiber kann den Biomasseanteil anhand von Rechnungsunterlagen über den Erwerb von Biogas mit gleichem Energiegehalt bestimmen, sofern er der zuständigen Behörde glaubhaft nachweist, dass

a) ein und dieselbe Biogasmenge nicht doppelt gezählt wird, insbesondere, dass niemand anderes angibt, das erworbene Biogas zu verwenden; dieser Nachweis kann durch die Vorlage eines Herkunftsnachweises im Sinne von Artikel 2 Nummer 12 der Richtlinie (EU) 2018/2001 [RED II] erbracht werden [elektronisches Dokument, das ausschließlich als Nachweis gegenüber einem Endkunden dafür dient, dass ein bestimmter Anteil oder eine bestimmte Menge an Energie aus erneuerbaren Quellen produziert
wurde];

b) der Anlagenbetreiber und der Produzent des Biogases an dasselbe Gasnetz angeschlossen sind. [es dürfte sich um kumulative Voraussetzungen handeln, da die Vermeidung einer Doppelzählung systemisch unverzichtbar ist; der Begriff des Gasnetzes ist leider nicht definiert, sodass die grenzübergreifende Anerkennungsfähigkeit sich nur mittelbar aus Art. 38 Abs. 5 UAbs. 4 MRR ergibt]

Zum Nachweis der Einhaltung dieses Absatzes kann der Anlagenbetreiber auf die Daten zurückgreifen, die in einer von einem oder mehreren Mitgliedstaaten eingerichteten Datenbank gespeichert sind, die die Rückverfolgung der Weiterleitung von Biogas ermöglicht.“

Emissionsfaktor geknüpft an Nachhaltigkeitskriterien

Zumindest die Grundidee blieb unverändert: Biogas ist klimaneutral: Art. 38 MRR wird weiterhin in Abs. 2 die Regelung enthalten, dass der Emissionsfaktor von Biomasse Null beträgt – nun aber ergänzt durch einen Verweis auf folgenden Absatz 5:

Wird auf diesen Absatz Bezug genommen, müssen Biokraftstoffe, flüssige Biobrennstoffe und Biomasse-Brennstoffe, die für die Verbrennung verwendet werden, die Nachhaltigkeitskriterien und die Kriterien für Treibhausgaseinsparungen gemäß Artikel 29 Absätze 2 bis 7 und 10 der Richtlinie (EU) 2018/2001 [RED II] erfüllen.

Biokraftstoffe, flüssige Biobrennstoffe und Biomasse-Brennstoffe, die aus Abfällen und Reststoffen — mit Ausnahme von Reststoffen aus Landwirtschaft, Aquakultur, Fischerei oder Forstwirtschaft — hergestellt werden, müssen jedoch lediglich die Kriterien gemäß Artikel 29 Absatz 10 der Richtlinie (EU) 2018/2001 erfüllen. Dieser Unterabsatz gilt auch für Abfälle und Reststoffe, die vor ihrer Weiterverarbeitung zu Biokraftstoffen, flüssigen Biobrennstoffen und Biomasse-Brennstoffen zuerst zu einem anderen Produkt verarbeitet werden.

Strom, Wärme und Kälte, die aus festen Siedlungsabfällen erzeugt werden, unterliegen nicht den in Artikel 29 Absatz 10 der Richtlinie (EU) 2018/2001 festgelegten Kriterien für Treibhausgaseinsparungen.

Die in Artikel 29 Absätze 2 bis 7 und 10 der Richtlinie (EU) 2018/2001 festgelegten Kriterien gelten unabhängig von der geografischen Herkunft der Biomasse.

Artikel 29 Absatz 10 der Richtlinie (EU) 2018/2001 gilt für Anlagen im Sinne von Artikel 3 Buchstabe e der Richtlinie 2003/87/EG [diese kryptische Formulierung dürfte auf die in der ETS-RL weit gezogenen Anlagengrenzen Bezug nehmen, die auch  verbundene Aktivitäten umfassen].

Die Einhaltung der in Artikel 29 Absätze 2 bis 7 und 10 der Richtlinie (EU) 2018/2001 festgelegten Kriterien wird gemäß Artikel 30 und Artikel 31 Absatz 1 dieser Richtlinie bewertet.

Entspricht die für die Verbrennung verwendete Biomasse nicht diesem Absatz, so gilt ihr Kohlenstoffgehalt als fossiler Kohlenstoff.

Betreiben Sie eine industrielle Anlage und haben Fragen zum Emissionsfaktor von Biogas im ETS? Sprechen Sie mich gerne an!

Rechtsanwalt Dr. Dirk Böhler, LL.M.

Passionierter Rechtsanwalt für Umweltrecht

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