IPCEI-Förderung und Regulierung für H2-Netze

Ich wurde unlängst mit der Frage konfrontiert, ob eine Wasserstoff-Infrastruktur (z.B. H2-Netze) zwingend der neuen, freiwilligen Regulierung zu unterwerfen ist, wenn es eine finanzielle Förderung als Important Project of Common European Interest (IPCEI) erhält.

Begriffe und Hintergründe

Bei IPCEI handelt es sich um Projekte, die von der Europäischen Kommission als so förderungswürdig angesehen werden, dass eine Subventionierung nicht gegen das innerhalb der EU grundsätzlich geltende Verbot staatlicher Hilfen verstößt. Das Verbot soll ein level playing field unter den Mitgliedsstaaten gewährleisten, sodass die Länder nicht mit Staatshilfen um die Ansiedelung von Unternehmen wetteifern – was letztlich zum Nachteil aller ginge. Hat ein Projekt aber IPCEI-Status von der Kommission erhalten, gilt eine Förderung durch den jeweiligen Staat als unionsrechtlich unbedenklich.

Die freiwillige Regulierung von H2-Netzen wurde in Deutschland im Sommer 2021 in den §§ 28j ff. EnWG eingeführt. Betreiber von Wasserstoffnetzen können sich einer Zugangs- und Entgeltregulierung ähnlich jener für Strom- und Erdgasnetze unterwerfen und somit geringere, aber planbarere Profite erwirtschaften. Über die Regulierung hatte ich bereits während des Gesetzgebungsverfahrens berichtet; von der damaligen Fassung unterscheidet sich die endgültige Fassung des Gesetze nur marginal.

Regulierung als Voraussetzung für IPCEI?

In den Kriterien der Europäischen Kommission zur Vergabe des IPCEI-Labels findet sich in Ziffer 4.2 Nr. 43 nun folgender Satz (2):

„Vorhaben, die den Bau einer Infrastruktur(1) umfassen, müssen einen offenen und diskriminierungsfreien Zugang zur Infrastruktur und eine diskriminierungsfreie Preisgestaltung gewährleisten(2).“

Die entsprechende Fußnote 2 ließt sich wie folgt:

„Umfasst das Vorhaben eine Energieinfrastruktur, unterliegen die Vorhaben der Tarif- und Zugangsregulierung sowie den Entflechtungs­anforderungen gemäß den Rechtsvorschriften für den Binnenmarkt.

Hieraus lässt sich ableiten, dass Infrastrukturvorhaben nur dann als IPCEI gefördert werden können, wenn sie der europäischen Tarif- und Zugangsregulierung unterworfen sind. Dies kann zu der Annahme führen, dass deutsche H2-Netze der Regulierung gemäß §§ 28j ff. EnWG bedürfen, um den IPCEI-Kriterien zu genügen.

Argumente sprechen gegen Verknüpfung von Regulierung und IPCEI

Mehrere gewichtige Gründe sprechen jedoch dagegen. Die Kriterien der EU-Kommission sprechen ausdrücklich von „Rechtsvorschriften für den Binnenmarkt“, beziehen sich also auf europäische Regulierung. Die §§ 28j ff. EnWG gelten jedoch nur innerhalb Deutschlands, lassen sich also bereits nicht unter den Begriff der Rechtsvorschrift für den Binnenmarkt subsumieren. Auch würde die Anwendung der deutschen H2-Regulierung für Projekte in Deutschland eine Ungleichbehandlung mit Projekten in Mitgliedsstaaten ohne H2-Regulierung bedeuten. Außerdem stammen die Kriterien von 2014, als das EnWG noch keine Regulierung für Wasserstoffnetze vorsah.

Ein letztes Argument ergibt sich aus dem Wortlaut von § 28p Abs. 3 Satz 1 EnWG:

„Bei Wasserstoffnetzinfrastruktur, für die ein positiver Förderbescheid nach den Förderkriterien der nationalen Wasserstoffstrategie der Bundesregierung ergangen ist, liegt in der Regel eine Bedarfsgerechtigkeit vor.“

Die Vorschrift besagt, dass Projekte in der Regel die für die Regulierung erforderliche Bedarfsprüfung bestehen werden, wenn sie unter der nationalen Wasserstoffstrategie für IPCEI nominiert wurden. Die Formulierung impliziert jedoch Raum für Ausnahmen – ein IPCEI-Projekt kann also in der Bedarfsprüfung scheitern, und somit nicht der Regulierung unterfallen. Daraus folgt zwangsläufig, dass die Regulierung nicht Bedingung der IPCEI sein kann.

Im Ergebnis ist eine Wasserstoff-Infrastruktur nicht zwingend der freiwilligen Regulierung gemäß §§ 28j ff. EnWG zu unterwerfen, wenn es eine finanzielle Förderung als IPCEI-Projekt erhält.

Gesetzesentwurf Wasserstoffregulierung

Vor drei Wochen berichtete ich an dieser Stelle über den Referentenentwurf des Wirtschaftsministeriums zur Wasserstoffregulierung. In leicht veränderter Fassung hat das Kabinett den Entwurf nun als Gesetzesentwurf beschlossen. Dieser wird nun dem Bundesrat und Bundestag zugehen, bevor er Gesetz werden kann. Die Änderungen gegenüber dem Referentenentwurf betreffen vor allem die gesellschaftsrechtliche Entflechtung. Hiergegen waren die Energieverbände in der Anhörung Sturm gelaufen.

Der Gesetzesentwurf steht auf der Seite des Ministeriums (hier!) zum Download bereit.

Referentenentwurf zur Wasserstoffregulierung

Ein brandneuer Referentenentwurf aus dem Wirtschaftsministerium widmet sich der Regulierung von Wasserstoffnetzen im EnWG. Neben weiteren Änderungen (unter anderem zur netzdienlichen Anbindung von Elektrofahrzeugen) definiert der Entwurf den Begriff der Wasserstoffnetze (und ihrer Betreiber), und führt sie einer Regulierung zu. Der Entwurf kann hier abgerufen werden. In Kürze die maßgeblichen Exzerpte:

Wasserstoff und Gas (§ Nr. 14 n.F. und 19a EnWG)

Die von der Industrie bevorzugte Einbeziehung von Wasserstoff in den Gasbegriff ist nicht in dem Referentenentwurf zur Wasserstoffregulierung vorgesehen. Stattdessen wird Wasserstoff in der Definition der Energie in § 3 Nr. 14 EnWG selbständig neben Elektrizität und Gas stehen. Das ist deshalb kurios, weil aus Elektrolyse gewonnener Wasserstoff ja bereits Gas im Sinne des § 3 Nr. 19a EnWG darstellt, und diese Vorschrift auch nicht angepasst werden soll.

Wasserstoffnetz und Betreiber (§ 3 Nr. 39a und 10b EnWG n.F.)

Ein Wasserstoffnetz ist „ein Netz zur Versorgung von Kunden mit Wasserstoff, das von der Dimensionierung nicht von vornherein nur auf die Versorgung bestimmter, schon bei der Netzerrichtung feststehender oder bestimmbarer Kunden ausgelegt ist, sondern grundsätzlich für die Versorgung jedes Kunden offensteht“.

Betreiber von Wasserstoffnetzen ist jede „natürliche oder juristische Personen, die die Aufgabe des Transports von Wasserstoff wahrnehmen und verantwortlich sind für den Betrieb, die Wartung sowie erforderlichenfalls den Ausbau des Wasserstoffnetzes“.

Energiespeicheranlagen (§§ 11a und 11b EnWG n.F.)

„Der Betreiber eines Elektrizitätsversorgungsnetzes kann die Errichtung, die Verwaltung und den Betrieb einer Energiespeicheranlage, die elektrische Energie erzeugt [z.B. ein Elektrolyseur mit H2-Speicher und Brennstoffzelle], in einem offenen, transparenten und diskriminierungsfreien Verfahren ausschreiben … [er] darf abweichend von Teil 2 Abschnitt 2 und 3 ausnahmsweise Eigentümer von Energiespeicheranlagen, die elektrische Energie erzeugen, sein oder solche Anlagen errichten, verwalten oder betreiben, wenn er dies bei der Regulierungsbehörde beantragt hat und diese ihre Genehmigung erteilt hat…“

Regulierung von Wasserstoffnetzen (§§ 28j ff. EnWG n.F.)

„Betreiber von Wasserstoffnetzen können gegenüber der Bundesnetzagentur schriftlich erklären, dass ihre Wasserstoffnetze der Regulierung nach diesem Teil unterfallen sollen. Die Erklärung wird wirksam, wenn erstmalig eine positive Bedarfsprüfung nach § 28p vorliegt. Die Erklärung gilt ab dem Zeitpunkt der Wirksamkeit unbefristet für den gesamthaften Betreiber von Wasserstoffnetzen …

§ 6b [die buchhalterische Trennung im vertikal integrierten Energieversorgungsunternehmen] gilt entsprechend. [redundant, siehe § 28l EnWG n.F.] …

Betreiber von Wasserstoffnetzen, die neben dem Betrieb von Wasserstoffnetzen weitere Tätigkeiten ausüben, haben zur Vermeidung von Diskriminierung und Quersubventionierung in ihrer internen Rechnungslegung ein eigenes Konto für die Tätigkeit des Betriebs von Wasserstoffnetzen so zu führen, wie dies erforderlich wäre, wenn diese Tätigkeit von rechtlich selbständigen Unternehmen ausgeführt würde. …“

Entflechtung (§ 28 l EnWG n.F.)

„Betreiber von Wasserstoffnetzen sind zur Gewährleistung von Transparenz sowie diskriminierungsfreier Ausgestaltung und Abwicklung des Netzbetriebs verpflichtet. Um dieses Ziel zu erreichen, haben sie die Unabhängigkeit des Netzbetriebs von der Wasserstofferzeugung, der Wasserstoffspeicherung sowie vom Wasserstoffverbrauch sicherzustellen. Betreibern von Wasserstoffnetzen ist es nicht gestattet, Eigentum an Anlagen zur Wasserstofferzeugung, zur Wasserstoffspeicherung, zum Wasserstoffverbrauch und Anlagen zur Einspeisung von Gas in Gasversorgungsnetze zu halten oder diese zu errichten oder zu betreiben.

Energieversorgungsunternehmen haben sicherzustellen, dass Betreiber von Wasserstoffnetzen, die mit ihnen vertikal oder horizontal verbunden sind, hinsichtlich ihrer Rechtsform unabhängig von anderen Tätigkeitsbereichen der Energieversorgung sind.

Unbeschadet gesetzlicher Verpflichtungen zur Offenbarung von Informationen haben Betreiber von Wasserstoffnetzen sicherzustellen, dass die Vertraulichkeit wirtschaftlich sensibler Informationen gewahrt wird, von denen sie in Ausübung ihrer Geschäftstätigkeit Kenntnis erlangen. Legt ein Betreiber von Wasserstoffnetzen Informationen über die eigenen Tätigkeiten offen, haben sie zu gewährleisten, dass dies diskriminierungsfrei erfolgt. Sie stellen insbesondere sicher, dass wirtschaftlich sensible Informationen gegenüber verbundenen Unternehmen vertraulich behandelt werden.“

Anschluss und Zugang (§ 28m EnWG n.F.)

„Betreiber von Wasserstoffnetzen haben Dritten den Anschluss und den Zugang zu ihren Wasserstoffnetzen zu angemessenen und diskriminierungsfreien Bedingungen zu gewähren, sofern dies für Dritte erforderlich ist. Der Netzzugang, einschließlich der damit zusammenhängenden Fragen des Netzanschlusses, ist im Wege des verhandelten Zugangs zu gewähren.

Betreiber von Wasserstoffnetzen können den Anschluss oder den Zugang nach Absatz 1 verweigern, soweit sie nachweisen, dass ihnen der Anschluss oder der Zugang aus betriebsbedingten oder sonstigen Gründen nicht möglich oder nicht zumutbar ist …“

Entgelte (§ 28n EnWG n.F.)

„Für die Bedingungen und Entgelte für den Netzzugang zu Wasserstoffnetzen gilt § 21 [angemessen, diskriminierungsfrei, transparent, marktüblich, effizient] nach Maßgabe der Sätze 2 bis 5 entsprechend. Die Anreizregulierung nach § 21a sowie die Genehmigung von Entgelten nach § 23a findet auf Betreiber von Wasserstoffnetzen keine Anwendung. Die Kosten werden jährlich anhand der zu erwartenden Kosten für das folgende Kalenderjahr sowie der Differenz zwischen den erzielten Erlösen und den tatsächlichen Kosten des jeweiligen Vorjahres ermittelt und über Entgelte erlöst. Kosten dürfen nur insoweit geltend gemacht werden, als eine positive Bedarfsprüfung nach § 28p vorliegt. Die Kosten nach Satz 3 werden durch die Bundesnetzagentur nach § 29 Absatz 1 festgelegt oder genehmigt…“

Umrüstung von Erdgas- zu Wasserstoffleitungen (§ 113b EnWG n.F.)

„Die Umrüstung bestehender Erdgasleitungen, die in einem nach § 43 durchgeführten Planfeststellungsverfahren genehmigt wurden, auf den Transport von Wasserstoff bedarf einer Zulassung im Wege eines Anzeigeverfahrens nach Maßgabe des § 43f. Eine Umweltverträglichkeitsprüfung ist nicht durchzuführen

Die nach § 4 des Bundesimmissionsschutzgesetzes für Verdichterstationen erlassenen Genehmigungen, die im Zuge der Umrüstung des Netzes oder einer Leitung auf den Transport von Wasserstoff nicht ausgetauscht werden müssen, gelten nach einer solchen Umrüstung fort. Der Betreiber zeigt die Änderung des Mediums der zuständigen Behörde spätestens einen Monat vor der Umrüstung an.“